Interdisziplinarität – Markenzeichen und Kerngebiet der Geographie
Es gibt wohl nur wenige wissenschaftliche Fächer an den Universitäten und Unterrichtsfächer an den Schulen, die wie die Geographie Natur- und Sozialwissenschaften verbinden. „Brückenfach“ ist eine viel zu kurz greifende Bezeichnung, die auch andere Fächer für sich reklamieren. Sie manifestiert nur die hilflos-verzweifelte Suche nach einer unwiderlegbaren Position der Geographie im Fächerkanon. Aber Geographie ist nicht dienende „Brücke“, sondern ihre Inhalte verbinden schwergewichtig und selbständig natur- und sozialwissenschaftliche Inhalte und erstellen neue, synthetisch-komplexe Gesamtsichten eines Problems. Schüler/innen lernen in Geographie wie in kaum einem anderen ihrer Schulfächer beispielhaft, dass einseitige Ansichten unvollständig sind. Das Problem: Der Zeitpunkt, zu dem diese besondere Bedeutung des Faches von der organisierten Geographie als ein zentraler Kern geographischer Schulbildung in der Bildungspolitik hätte verankert werden können, ist verpasst. Inzwischen ist es eine Binsenweisheit, dass „viele Aspekte unseres Daseins heute nur noch im Zusammenhang weltweiter Verflechtungen verstanden werden können“ (Osterhammel/Petersson). Die Geschichte hat unter dem Stichwort „Big History“ die Verbindung von Raum und Zeit, Geschichte und Geographie anerkannt. Wenn Schulfächer dazu dienen, den Heranwachsenden die Welt in ihrer Vielfalt und Verwobenheit erkennen zu lassen, dann hat die Geographie hierbei gleichwohl immer noch ihre besonders herausragende Bedeutung. Das müsste die organisierte Geographie den Bildungspolitikern immer und immer wieder einbläuen – vielleicht erkennen die für Schule Verantwortlichen eines Tages, dass die Reduzierung des Schulfaches Geographie ein Irrweg ist – hin zu Einseitigkeit, Vorurteil, Oberflächlichkeit und Unorientiertheit.