Tourismus /Overtourism
Zu Zeiten, in denen sogar die deutsche Schulferienregelung Rücksicht auf die touristischen Gewohnheiten nimmt, erscheint es besonders schwierig, aus geographischer Sicht über Sinn und Unsinn, Fluch und Segen des Tourismus zu unterrichten. Gleichwohl, auch das muss Inhalt des Geographieunterrichts sein. Niemandem soll sein wohlverdienter Urlaub vergrault werden, aber der Geographieunterericht muss die Folgen des touristischen Verkehrs in der Luft und auf dem Land in den Blick nehmen, muss bewusst machen, dass das verwöhnte Leben der eingeflogenen Touristen erhebliche Veränderungen der Lebenssituationen der Menschen in der Urlaubsregion zur Folge hat, muss umweltverträgliche Möglichkeiten für eine nachhaltige Erholung – sanften Tourismus – aufzeigen. Was bedeutet es für die 71000 Einwohner von Benidorm, wenn jährlich um die 3 Mio bade- und vergnügungssüchtige Urlauber in ihre Stadt strömen? Warum haben die Einwohner von Mallorca erstmals im September 2017 Transparente hochgehalten: „Touristen raus!“? Gibt es Grenzen für die Ausweitung der Touristenströme? Der Geographieunterericht darf nicht verschweigen, dass manche Hochburgen des Tourismus noch immer heilige Stätten der dort lebenden Bevölkerung sind, die es zu respektieren gilt: Machu Picchu wird in der Hochsaison inzwischen täglich von bis zu 4000 Touristen „besucht“ – ursprünglich war das heute „übervölkerte, laute Freilichtmuseum“ Oase der Stille und eine der wichtigsten religiösen Stätten der Inka, in der etwa hundert Priesterinnen und Priester ihren Gottesdienst mit Gebeten und Flötendienst verrichteten. Oder der Touristenmagnet Ayers Rock im Herzen Australiens: Uluru, den „heiligen Berg“, suchen jährlich an die 250000 Touristen auf, von denen gut jeder zehnte nicht widerstehen kann, das Heiligtum der Aborigines in Freizeitkleidung und mit Photoapparat zu erklettern und oben zu picknicken. Das soll ab 2019 allerdings (endlich) verboten werden. Welche Auswirkungen auf die indigenen Bewohner des tropischen Regenwaldes haben die in Mode gekommenen „Amazonas Lodges“? Der Beispiele gäbe es viele. Unterrichtsort in der Schule wäre der Geographieunterricht. Kann er das in der ihm heute zugestandenen Unterrichtszeit leisten? Übrigens: In welchem Schulfach wird „Tourismus“ – wie sagt man heute – „problematisiert“ und „problemlösungsorientiert“ unterrichtet? Raten Sie mal… Leicht zu erreichen: „Reisen und Tourismus“ in: APuZ Nr. 50/2021 v. 13. Dezember 2021.