Ansprache von Dr. Eberhard Schallhorn Einweihung Büste 7. Juni 2012
Dzień dobry!
Leider kann ich noch immer kein Polnisch. Gestatten Sie mir daher, dass ich mich auf Deutsch an Sie wende. Ich danke meinem freundlichen Dolmetscher.
Sehr geehrte Damen und Herren,
heute ist ein großer Tag für Carlsruhe/Pokój, für die Wissenschaft Geographie insgesamt und für die deutsche Geographie.
Wir gedenken heute mit der Einweihung dieser Büste des großen Geographen Ferdinand Freiherr von Richthofen, dessen Familie in Schlesien verwurzelt war und der – zugegeben eher zufällig – am 5. Mai 1833 hier in Carlsruhe geboren wurde.
Sein Lebensweg führte ihn über das Studium der Geologie zu Expeditionen nach Nordamerika und China, schließlich zur Geographie, weil ihn seine Reisen hatten einsehen lassen, dass die Beobachtung der Erdoberfläche sich nicht nur auf die geologischen Gegebenheiten und Prozesse beschränken darf, sondern die Vielzahl der naturkundlichen Erscheinungen einbeziehen muss. Dazu gehören die bodenkundlichen, die morphologischen, meteorologischen, vegetationskundlichen Erscheinungen. Und er sagte mit Recht: „Keine Erscheinung darf dem Forschungsreisenden zu geringfügig sein; auf jede muss er sein Auge richten; der geübte und geschärfte Blick vermag oft in dem Kleinen das Fundament zu finden, um Größeres richtig zu beurteilen und durch oft wiederholte sorgfältige Kombination weittragende Schlussfolgerungen zu ziehen.“
Damit hat er die Arbeitsweise der interdisziplinären und systemischen naturwissenschaftlichen Geographie beschrieben. Grundlage dafür war und ist die Beobachtung und induktive Ableitung. Als Professor für Geographie ergänzte er die naturwissenschaftlichen um die humangeographischen Aspekte und schuf damit das Gesamtbild der modernen wissenschaftlichen Geographie.
Er hat seine „Anleitung zu Beobachtungen über Gegenstände der physischen Geographie und Geologie“ in dem „Führer für Forschungsreisende“ 1886 aufgeschrieben, der heute noch ein Kompendium für Studierende der Geographie ist.
In Deutschland widmete er sich bei allem Vorrang für die naturwissenschaftlichen Anteile der Geographie der Entwicklung der Geographie insgesamt, die auch die Sozial- und Humanwissenschaften wie Verkehr, Wirtschaft, Siedlung oder regionale Kulturgeschichte einschließt und mit naturwissenschaftlichen Fachbereichen verknüpft. „Dem forschenden Geist gewährt die Erdoberfläche an sich mit ihren vielen Problemen hinreichend Stoff. Aber die große Mehrheit wird gefesselt durch den Gesichtspunkt, die Erdoberfläche in Verbindung mit dem Menschen zu betrachten, als den Schauplatz seiner Existenz und Geschichte“, sagte er in einer Vorlesung zur Wirtschafts- und Verkehrsgeographie.
Von Richthofen war Professor für Geographie an den Universitäten Bonn und Leipzig. Er gründete 1886 und leitete dann das Geographische Institut der Humboldt-Universität Berlin. In der Öffentlichkeit engagierte er sich durch die Präsidentschaft der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin und repräsentierte die neue moderne deutsche wissenschaftliche Geographie beim 7. Internationalen Geographenkongress in Berlin, dem er 1899 vorstand. Die heutige Veranstaltung wird mitgetragen als Vorveranstaltung zum 32. Internationalen Geographenkongress, der in diesem Jahr, 113 Jahre nach dem Kongress in Berlin, wieder in Deutschland, und zwar in Köln stattfindet.
Ich danke allen denen, die an der Verwirklichung dieser Gedenkbüste ihren Anteil haben, zuvörderst als Ideengeber meinem 2009 verstorbenen Kollegen Eberhard Lison, dem seinerzeitigen 1. Vorsitzenden des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen im Verband Deutscher Schulgeographen. Er führte immer wieder Lehrergruppen auf Exkursionen nach Schlesien und stellte fest, dass in dem Geburtsort von Ferdinand von Richthofen kein Hinweis auf den großen Geographen vorhanden war. Seine Gattin ist heute unter uns. Liebe Frau Lison, wir begrüßen Sie herzlich.
Herr Lison machte den Mangel der Deutschen Gesellschaft für Geographie bekannt. Leider hat sie erst nach seinem überraschenden Tod die Initiative angenommen. Im Herbst 2009 erteilte mir das Präsidium das Mandat in dieser Sache.
Meine erste Kontaktaufnahme mit Carlsruhe/Pokój fand Anfang Januar 2010 bei bitterer äußerer winterlicher Kälte statt – aber innerlich wurde mir gleich warm. Denn ich habe hier in Carlsruhe nicht nur offene Ohren gefunden, sondern mit unserer Anregung geradezu offene Türen eingerannt und herzliche und freundschaftliche Unterstützung gefunden. Ich bedanke mich dafür herzlich bei der Bürgermeisterin Frau Barbara Zając, der Vizebürgermeisterin Frau Joanna Ptaszek, dem gesamten Gemeinderat und der „Gesellschaft Pokój“. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie die Einweihung der Büste und unsere Lehrerveranstaltung in den Rahmen des festlichen „9. Weberfestivals – Festival der Musik für den Park und die Gartendenkmäler Pokój“ gestellt haben.
Besonders geholfen hat uns bei allen Vorbereitungen, Besprechungen, Vermittlungen und erforderlichen Anpassungen des Programms für diesen Tag heute Herr Hubert Kolodziej, und das unermüdlich zusätzlich zu seinen vielen anderen beruflichen und ehrenamtlichen Verpflichtungen. Lieber Hubert, herzlichen Dank für alles!
Unser Dank geht an Jakub Panitz, dem Künstler, der in der Nachfolge seines verstorbenen Vaters, der noch die ersten Entwurfsskizzen fertigen konnte, die Realisation der Büste übernommen hat. Er hat sich in den Geist und die Persönlichkeit von Ferdinand Freiherr von Richthofen anhand von Bildern, Texten und zeitgenössischen Zeugnissen hineingedacht und das gelungene Abbild eines disziplinierten, zielgerichteten und würdevollen Wissenschaftlers geschaffen.
Viele andere haben geholfen. Ich möchte mich hier bedanken beim Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, das über das Konsulat in Oppeln das Vorhaben finanziell ebenso unterstützte wie die Landesverbände Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen im Verband Deutscher Schulgeographen. Die Heimatverbände der Carlsruher hier und in Deutschland haben tatkräftig und finanziell mitgeholfen. Viele private Spender haben den einen und anderen Złoty oder Euro beigetragen. Allen gilt der herzliche, aufrichtige Dank der deutschen Geographie.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich übermittle Ihnen zu unserem Anlass die Grüße des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Joachim Gauck, der mitteilen ließ: „Ich finde es sehr positiv, dass in Pokój berühmten Söhnen der Gemeinde unabhängig von der Nationalität gedacht wird. Diese Betonung der gemeinsamen Geschichte sorgt dafür, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen weiter gestärkt werden und das Vertrauen in- und zueinander zunehmen wird.“
Der Vorsitzende des Arbeitskreises für Geomorphologie in der Deutschen Gesellschaft für Geographie, Herr Professor Dr. Andreas Vött, grüßt die Veranstalter und die Gäste dieser Feierstunde: „Die synthetisierende Betrachtung geologischer, geomorphologischer und weiterer geographischer Befunde macht Ferdinand Freiherr von Richthofen zu einem der bedeutendsten Geographen schlechthin. (…) Wir sind Ihnen zu allergrößtem Dank verpflichtet, dass Sie das Andenken an unser Vorbild von Richthofen ins aktuelle Licht rücken und freuen uns sehr darüber.“
Serdeczne dzięki!