Die Deutsche Gesellschaft für Geographie (DGfG) ist derzeit die einzige demokratisch gewählte Institution der organisierten Geographie in Deutschland. Sie durchlebt zur Zeit eine strukturelle Krise – so sehen es zumindestens einige.
Am 10. Oktober 2012 wendete sich Eberhard Schallhorn an die Mitglieder des Präsidiums der DGfG:
Für eine starke DGfG!
Die gereizte Ablehnung der Inhalte und der darauf aufbauenden Vorschläge durch den Präsidenten der DGfG („verheerendes Pamphlet“) führte zum Rücktritt des Autors von seinen Funktionen als Schatzmeister und Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit in der DGfG.
Hier Auszüge aus dem Brief:
„(…) Es ist m.E. völlig destruktiv, darauf achten zu wollen, dass das Geld, das ein Verband in die DGfG als Beitrag einzahlt, auch wieder an ihn zurückfließt, oder argwöhnisch darüber zu achten, dass kein Teilverband aus der DGfG-Kasse mehr erhält als ein anderer. Wir wollen die Geographie fördern, nicht einem Teilverband die Beiträge wieder zurückzahlen, die er an die DGfG transferiert hat.
Ich habe mich deutlich gegen die Durchführung einer Imagestudie gewandt. Ich halte sie im Augenblick für überflüssig, nicht weiter führend, für zu teuer. Die Kosten werden vom Finanzamt Bruchsal als grenzwertig in Hinsicht auf unsere Gemeinnützigkeit angesehen. Die Imagestudie wurde von der Plenarversammlung der in Bensberg Versammelten befürwortet. Es fand aber darüber keine Abstimmung im Präsidium der DGfG statt. Was in einem zufällig zusammengesetzten Gremium für gut befunden wurde, kann nicht gleichgesetzt werden mit einem Beschluss des demokratisch legitimierten Präsidiums der DGfG oder ihn gar ersetzen.
Seitdem die große finanzielle Belastung der DGfG durch die Öffentlichkeitsarbeit weggefallen ist, bleiben die knapp 40.000 Euro, die dafür aufgebracht wurden, in der Kasse der DGfG. Sie reichen noch nicht dafür, eine Geschäftsstelle mit einem hauptamtlichen Geschäftsführer einzurichten. Sie stehen eigentlich für die Förderung der Geographie zur Verfügung. Darüber müssten wir uns Gedanken machen, anstatt das Geld für Maßnahmen auszugeben, die nicht konsensfähig sind und eigentlich nicht „die Geographie fördern“. Alternativ ist die ja inzwischen beabsichtigte Senkung der Beiträge, die die finanziellen Spielräume der DGfG wieder einschränkt, dafür aber die der Teilverbände stärkt.
Ich habe mich dagegen ausgesprochen, dass ein Teilverband mit einer relativ geringen Mitgliederzahl und einer entsprechend geringen Beitragszahlung an die DGfG in einer Abstimmung mitgliederstarke Verbände mit hohem Beitragsaufkommen überstimmt. Das ist legitim, aber gleichwohl einem Systemfehler unserer Satzung geschuldet, in der alle Teilverbände die gleiche Stimmenanzahl haben, unabhängig ihrer Mitgliederanzahl und ihrer Beitragshöhe an die DGfG. So, wie die DGfG „gestrickt“ ist, muss, ich wiederhole: muss sie nach meiner Ansicht eine Konsensgemeinschaft sein. Kampfabstimmungen oder mehrheitliche Abstimmungen sind zu allen Anstrengungen kontraproduktiv, die Geographen in Deutschland zu einen und einen starken Verband darzustellen.
Erst seit einigen Sitzungen steht das Bemühen um Konsens nicht mehr im Mittelpunkt, sondern die Dominanz der Mehrheit der Stimmen im Präsidium. Ich erinnere mich an viele frühere Sitzungen, in denen der Präsident bei Abstimmungen fragte, wer „dagegen“ sei. Da sich niemand meldete, was im Vorfeld der Sitzungen jeweils bereits abzusehen war, war der TOP angenommen. Ich erinnere mich an keine Abstimmung mit Gegenstimmen vor 2012. Erst die TOPs der Sitzungen in 2012 zur Absolventenstudie (DVAG), Teilnahme an einem Wettbewerb der DGG (HGD) und Imagestudie erbrachten gravierende Neinstimmen, die aber in Kauf genommen wurden.
Entscheidungen, die nicht den Konsens des Präsidiums finden, können m.E. zwar diskutiert, aber nicht abgestimmt werden. Sie müssen von der Tagesordnung abgesetzt werden. Sie dürfen um der innerverbandlichen Einigkeit willen nicht abgestimmt werden. Oder wir müssen die Satzung so ändern, dass die Vertretung im Präsidium entsprechend der Mitgliederstärke resp. des Beitragsaufkommens der Teilverbände geregelt wird. (…)
Meine Bemühungen, eine Satzungsänderung einzubringen, endlich ein Kuratorium einzurichten, die Öffentlichkeitsarbeit zu stärken, Kontakte zu anderen Verbänden aufzunehmen, der Geographie Wohlgesonnene in Deutschland zu suchen und zu finden u.a. konnte ich in die Sitzungen nicht oder nur marginal einbringen, weil sie infolge Zeitmangels vertagt werden mussten. Immer wieder. Sie kosten alle nicht Geld, sondern brauchen unser ehrenamtliches Engagement. (…)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, ich meine immer noch, wir brauchen eine starke DGfG. Aber die jetzige DGfG fördert die Geographie in Deutschland nicht, sondern ist dabei, sie zu zerreißen. Mehr als ein Jahrzehnt von Bemühungen, zu einen und zusammen zu kommen, steht auf dem Spiel.“
Soweit Auszüge aus dem Brief Schallhorns an die Mitglieder des Präsidiums der DGfG.
Leider hat der Brief – wie eigentlich beabsichtigt – keine ernsthafte Diskussion im Präsidium ausgelöst. Drei der fünf Teilverbände der DGfG schwiegen, der Präsident äußerte sich sechs Wochen nach dem Versand des Briefes wie oben erwähnt gereizt, ausgesprochen unsachlich und möglicherweise falsch beraten.
Welche neuen Strukturen braucht die DGfG?
Es wird angemahnt, die Strukturen der DGfG zu verbessern oder auch zu ändern. Natürlich kann die DGfG als demokratisch legitimierte Vertretung der Geographical Community nur wirken, wenn ihre Mitglieder konstruktiv an diesem Prozess mitarbeiten.
Die jetzige Satzung der DGfG nennt die fünf Teilverbände (VGDH, HGD, VDSG, DVAG, GeogrGes) als Mitglieder. Es gilt das Prinzip der Gleichberechtigung, d.h. jeder Teilverband hat gleich viele Mitglieder in den satzungsgemäßen Gremien.
Wie es in dem Brief von Schallhorn angedeutet worden ist, kann dies aber zu verzerrten Meinungsbildern und Abstimmungsergebnissen führen. Die Teilverbände haben jeweils unterschiedlich viele Einzelmitglieder und tragen in unterschiedlicher Höhe zum Gesamtbudget der DGfG bei. Bei dieser Konstellation ist Gemeinsamkeit und Übereinstimmung nur dann gegeben, wenn alle Entscheidungen im gemeinsamen Konsens getroffen werden. Wird ein Teilverband – möglichweise sogar in einer „Kampfabstimmung“ – überstimmt, ist die erforderliche Harmonie im Ganzen zerbrochen. Das muss vermieden werden, obwohl in der Geschäftsordnung auch das Abstimmungsverfahren geregelt ist (GO der DGfG §10). Hier muss das Präsidium Satzung und Geschäftsordnung überdenken und weiter entwickeln.
Ein anderer Gedanke, der auch immer wieder auch von außen an das Präsidium herangetragen wird, ist die Öffnung der DGfG nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für Organisationen und Institutionen, die ein Interesse an geographischer Bildung, Wissenschaft und Praxis haben. Anregend könnte hier die Satzung des Verbandes Deutscher Historiker sein (http://www.historikerverband.de/verband/satzung.html), in der es heißt: „§5 Fördernde Mitglieder.Der Verband kann natürliche und juristische Personen, die ein begründetes Interesse an der Arbeit des Verbandes haben, als fördernde Mitglieder aufnehmen. Über die Aufnahme entscheidet der Vorstand. Fördernde Mitglieder genießen die Rechte der ordentlichen Mitglieder, sie haben jedoch kein Stimmrecht und können nicht dem Ausschuss oder Vorstand angehören.“
Die mögliche Öffnung der Mitgliedschaft in der DGfG über den Kreis der jetzigen Mitglieder hinaus – der fünf Teilverbände – bleibt ebenso ein wichtiger TOP der Agenda der DGfG wie die Antwort auf die Frage nach den Prioritäten ihrer Aufgaben und der Mitgliedsbeiträge.
Die Frage, wie ein Beitragsaufkommen in der DGfG einvernehmlich generiert werden kann, das effektive Öffentlichkeitsarbeit und professionelle Verbandsarbeit ermöglicht, ist nicht beantwortet. Als Alternative steht eine deutliche, auf die Aufgabenstellungen der Satzung bezogene Beschränkung der Aktivitäten der DGfG zur Diskussion, einschließlich einer Beitragsüberprüfung. Denkbar wäre es beispielsweise, dass sich die DGfG als vornehmlicher Aufgabe der zuverlässig zweijährigen Ausrichtung des „Deutschen Geographentages – Kongress für Schule, Wissenschaft und Praxis“ widmet. Denn die weitergehenden Anforderungen und die Wünsche und Erwartungen hinsichtlich der Errichtung einer Geschäftsstelle und der Schaffung der Funktion eines hauptamtlichen Referenten für Öffentlichkeitsarbeit scheinen sich nicht realisieren zu lassen.