Schlagwort-Archive: Geographische Bildung tut Not

Klima – Witterung – Wetter: Plötzlich aktuell und „völlig“ neu…

Kaum eine Zeitung oder Zeitschrift lässt sich die Themen „Hitze“ und  „Klimawandel“ in diesen Tagen entgehen. Eine Auswahl:

Der Sommer, der nie endet (DER SPIEGEL)
Abschied vom Wald. Der Klimawandel wird zum weltweiten Brandstifter. (der Freitag)
Fluchtursache Klima (Handelsblatt)
Land in Not. Die Dürre ruiniert die Ernte. Werden noch alle satt? (Frankfurter Allgemeine Woche)
Ebbe an der Elbe. Für Fische und Schiffe wird es eng in deutschen Gewässern. (Frankfurter Rundschau)
Zukunft im Schwitzkasten. Der heiße Somme führt uns die Folgen des Klimawandels vor Augen. (DIE ZEIT)

Ich finde aber keine Tages- oder Wochenzeitung, in der darauf hingewiesen wird, dass Klima, Witterung und Wetter originäre Themen des Geographieunterrichts an den Schulen sind, die sich zusammen mit Physik, Geschichte, Ethik und Politik auch bestens zum projektorientierten und fächerübergreifenden Unterricht eignen. Die Erde als Ökosystem ist Inhalt des Geographieunterrichts. Klimawandel und seine Folgen ist Inhalt des Geographieunterrichts. Wenn diese Inhalte (wie wichtige andere der UN-Weltziele) nur rudimentär in den Schulen behandelt werden, dann liegt es nicht am Geographie-Fachlehrer, sondern an der miserabel-geizigen Stundenausstattung des Faches Geographie, das heute immer noch als eher nebensächliches Erdkäse-Fach behandelt wird – obwohl hier das Fach ist, das den Schülern die brennenden Zukunftsfragen der Menschheit auf diesem Planeten deutlich machen soll, kann und muss, auch wenn das nicht allen Schülern gefällt. Denn letztlich lernen sie, dass sie ihr Verhalten ändern müssen, und das ist ein schwieriges Unterfangen, an dessen Umsetzung die Anfangsfrage steht: „Warum ich? Die anderen machen’s doch auch nicht.“

Unverständlich bleibt auch, warum die Fachverbände der Geographie nicht vernehrmbar in der Öffentlichkeit auf diesen eigentlich unverständlichen Mangel an geographischem Unterricht hinweisen. „Geographische Bldung tut Not“,  heißt es – aber keiner der für die Geographie Verantwortlichen hat den Mut, in den Periodika (siehe oben) das Thema „Mehr Geographie in die Schulen!“ vernehmbar aufzugreifen.

Dann müssen wir uns nicht wundern, dass die breite Bevölkerung von Klima, Witterung und Wetter nichts versteht, aber auch, dass Themen wie Migration, Armut, Verkehr, Städteentwicklung, Landwirtschaft, Flugtourismus….  keine Themen sind, die Menschen zum Nachdenken bringen.

Warum fühlt sich die deutsche Geographie in ihrem wissenschaftlichen Elfenbeinturm so wohl und merkt nicht, dass ihre wichtigen Themen von anderen Fachbereichen dankbar übernommen werden?

Eberhard Schallhorn

 

Geographische Bildung

 

Es bleibt die Frage, was denn das nun ist: „Geographische Bildung.“  Die Antwort ist ebenso schwierig zu formulieren wie die nach  dem, was „Bildung“ insgesamt ist.  Aber man könnte sich vielleicht so einigen:

Geographische Bildung
– ist Wissen um die physische Beschaffenheit unseres Planeten und die Wirkung des Menschen auf ihm,
– ist die Fähigkeit, systemisch, Natur- und Sozialwissenschaften verbindend,  in lokalen, regionalen oder globalen Zusammenhängen zu denken,
– ist die Bereitschaft, entsprechend diesem Wissen und dieser Fähigkeit nachhaltig zu handeln.

In der Schule müsste schon den jüngeren Schülern  an Beispielen verdeutlicht werden, dass nur das Denken in Zusammenhängen richtige Einsichten vermittelt. Die Beispiele müssten dann mit zunehmendem Alter in ihrer  Schwierigkeit und ihrer globalen Lokation angepasst werden, wobei die Maßstäbe der Betrachtung von groß über klein wieder zu groß, die Raumauswahl  ähnlich von lokal über regional/global wieder zu lokal variieren sollten.  Im jeweiligen Lehr-/Bildungsplan sollte genügend Raum angeboten werden zur Behandlung aktueller  geographischer Probleme.

Das Problem, das sich – bei aller Unwägbarkeit und möglicherweise subjektiven Sicht – ergeben könnte und hier nicht verschwiegen werden darf und soll: Die Fähigkeit, in Zusammenhängen lokal/regional/global zu denken und zu argumentieren, stärkt auch die Bereitschaft schon der Schüler/innen und erst recht der Bürger/innen zu kritischem Denken im Alltag, beispielsweise über die Herkunft und Vermarktung alltäglicher Produkte oder bei der ökonomischen und planerischen Entwicklung der Heimatgemeinde. Das könnte zu verstärkter Mitwirkung bei der demokratischen Meinungsbildung führen. Sicherlich gäbe es auch Verwaltungen und Unternehmen, die über diese gesteigerte Mitsprache erfreut sind und die Meinungen in ihre Entscheidungsfindung einbinden.

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Wettbewerbe

Wettbewerbe

Ein gern benutztes Medium dafür, öffentlichkeitswirksame Aufmerksamkeit zu erlangen und zugleich den Vereinszweck – hier: Geographische Bildung stärken – zu erreichen, ist die Kreation neuer oder die Mitwirkung an bestehenden Wettbewerben.  Der VDSG beteiligt sich seit Jahren erfolgreich durch Preisstiftungen am Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ und am Bundesumweltwettbewerb. Ebenfalls seit längerer Zeit führt der VDSG die Wettbewerbe Diercke  iGeo und Diercke wissen! durch. Beides sind bundesweit ausgeschriebene Wettbewerbe. Bei iGeo geht es um die Benennung einer deutschen Schüler/innen-Mannschaft für die Teilnahme an der Geographie-Olympiade, die von der International Geographical Union jährlich an einem anderen Ort auf der Erde durchgeführt wird.  Der Wettbewerb Diercke wissen! wird für alle Schulen in Deutschland und die deutschen Schulen im Ausland ausgeschrieben. Die teilnehmenden Schulen ermitteln durch zentral gestellte Aufgaben den jeweiligen Schulsieger; die Landesverbände des VDSG küren dann jeweils einen Landessieger; alle 16 Landessieger und der Sieger der deutschen Auslandsschulen nehmen am Bundeswettbewerb teil, und der Sieger wird schließlich zum „Besten Geographieschüler Deutschlands“ erhoben.  Die Preise für die Sieger des iGeo-Wettbewerbs (Flug, Aufenthalt, Teilnehmergebühr) kann der VDSG alleine  ebenso wenig stemmen wie die Durchführung des Diercke wissen! – Wettbewerbs. Deshalb hat sich der bedeutende Schulbuchverlag Westermann  dazu bereitgefunden, die  Wettbewerbe maßgeblich zu unterstützen; hinzu kommt noch bei iGeo die Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Geographie.

Die bundesweite Öffentlichkeit nimmt von der engagierten Durchführung der geographischen Wettbewerbe kaum Notiz – damit aber ist ein wesentlicher Gesichtspunkt der Übernahme des Organisationsaufwandes für solche Veranstaltungen kaum erreicht, nämlich die erhöhte Aufmerksamkeit für die notwendige Stärkung der  geographischen Bildung und damit der Schulgeographie zu erzeugen. Da Diercke iGeo zur Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb führen soll, ist die Wettbewerbssprache Englisch – was wiederum nicht zu einer hohen, öffentlichkeitswirksamen  Teilnehmeranzahl führt. Diercke wissen! ist allerdings einer der teilnehmerstärksten Schüler-/innen-Wettbewerbe Deutschlands, was sich aber gleichermaßen nicht in der öffentlichen Wahrnehmung spiegelt.

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Internationale Wirtschaftsabkommen

Internationale Wirtschaftsabkommen
Ein Thema, das in der Schule angesichts seiner überragenden Bedeutung für die globalisierte Wirtschaft zu kurz kommt (weil der Geographie dazu die Stunden fehlen), sind die Internationalen Wirtschaftsabkommen und die Bedeutung der WTO oder der internationalen Währungsinstitutionen. Es ist unumgänglich, dass unsere Schulen über deren Organisation und die Zusammenarbeit der Staaten in den Wirtschaftsunionen unterrichten, weil sich durch die Zusammenarbeit in diesen internationalen Zusammenschlüssen in der Regel die friedliche Koexistenz manifestiert. Die „Blöcke“ unserer Welt sind weitgehend auch Wirtschaftsblöcke. Was bedeutet es für die Wirtschaft eines Staates, von der Gemeinschaft eines solchen Blockes ausgeschlossen zu sein? Was bedeutet es für die Gemeinschaft, wenn ein wichtiger Partner sich anders orientiert? Die Geographie kann analysieren und urteilen, kann Hintergründe offensichtlich machen und wirtschaftliche Grundeinsichten vermitteln – warum nicht auch zusammen mit dem in einigen Bundesländern neuen Unterrichtsfach „Wirtschaft“?

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Globalisierung

Globalisierung
Ein besonderes Problem unserer Zeit ist die „Verdichtung von Raum und Zeit“, wobei in der Geographie insbesondere die Verdichtung des Raumes bedeutsam ist: Durch verbesserte Verkehrsbeziehungen schrumpfen die tatsächlichen Distanzen zwischen A und B ebenso dramatisch wie sich der globale Informations- und Kommunikationsfluss durch die Digitalisierung beschleunigt. Die Kommunikation und wirtschaftliche Verbundenheit zwischen weit entfernten Orte werden „in Echtzeit“ abgewickelt. Der Geographieunterricht hat die Aufgabe, den Schülern zumindest in Ansätzen den Widerspruch zwischen den wahrgenommenen geschrumpften Distanzen auf der Welt und der Tatsache zu vermitteln, dass trotzdem die staatlichen und kulturellen Unterschiede nicht aufgehoben sind. Ein Urlauber, der in wenigen Flugstunden sein Urlaubsziel in einem islamischen Staat erreicht und in der Urlaubskleidung, in der er „zu Hause“ in das Flugzeug gestiegen ist, am Zielort aussteigt, darf sich nicht wundern, wenn er Ablehnung erfährt. Ein Geschäftsmann, der in relativ wenigen Flugstunden von Europa in andere Gebiete der Welt fliegt, muss über die kulturellen Gewohnheiten am Zielort informiert sein, wenn seine Mission nicht scheitern soll. Die Kenntnis über die Möglichkeit internationaler Konzerne, sich dort anzusiedeln, wo sie die für sie insgesamt günstigsten Bedingungen vorfinden, gehört zur geographischen Bildung und muss im Geographieunterricht vermittelt werden. Dazu gehört auch die Reflexion über das „weltweite Internet“, das in weiten Gebieten der Welt gar nicht weltweit ist, oder die kritische Kenntnis über die Korrespondentendichte von Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen und damit über die Herkunft und Entstehung der Nachrichten „aus aller Welt“.

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Externalisierung

Externalisierung
Auch wieder so ein Stichwort, das den Bildungs- und Finanzministern ein Argument liefert, dass die Geographie in der Schule gekürzt gehört: Denn wer will schon, dass unsere Jugend in einem Fach immer nur Negatives über das Verhalten der Menschen hört? Geographieunterricht kann, nein: muss bewusst machen, dass unser Reichtum hier und die Armut in weiten Teilen der Welt die beiden Seiten einer Medaille sind: Wenn einer gewinnt, verliert ein anderer. Das ist schon die Erfahrung beim Mensch ärgere dich nicht-Spiel. Der Beispiele für die Externalisierung, die Auslagerung von Risiken aus unserer Wohlstandsgesellschaft zu Ungunsten der Menschen in anderen Teilen der Welt, gibt es viele, beispielsweise: Rodung des tropischen Regenwaldes zur Gewinnung von Holz, Palmöl, Anbauflächen für Soja mit allen Folgen für die ursprünglich subsistent wirtschaftenden indigenen Bewohner. Gewinnung von seltenen Erden unter menschenunwürdigen Bedingungen für unsere Hochtechnologie. Miserabel bezahlte Arbeit bei schlechtesten Arbeitsbedingungen für Näherinnen in Bangladesch für unsere preisgünstigen T-Shirts. Einsatz von Pflanzenschutz-  oder Düngemitteln bei großflächigem Anbau von Hybridpflanzen, mit allen Folgen für deren Hersteller und die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte. Das alles ist Wissen, das für die Menschen heute unverzichtbar ist, wenn sie die Kompetenz erlernen sollen, sich nachhaltig zu verhalten.  Das zuständige Schulfach: Geographie.

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Tourismus

Tourismus /Overtourism
Zu Zeiten, in denen sogar die deutsche Schulferienregelung Rücksicht auf die touristischen Gewohnheiten nimmt, erscheint es besonders schwierig, aus geographischer Sicht über Sinn und Unsinn, Fluch und Segen des Tourismus zu unterrichten. Gleichwohl, auch das muss Inhalt des Geographieunterrichts sein. Niemandem soll sein wohlverdienter Urlaub vergrault werden, aber der Geographieunterericht muss die Folgen des touristischen Verkehrs in der Luft und auf dem Land in den Blick nehmen, muss bewusst machen, dass das verwöhnte Leben der eingeflogenen Touristen erhebliche Veränderungen der Lebenssituationen der Menschen in der Urlaubsregion zur Folge hat, muss umweltverträgliche Möglichkeiten für eine nachhaltige Erholung – sanften Tourismus – aufzeigen.  Was bedeutet es für die 71000 Einwohner von Benidorm, wenn jährlich um die 3 Mio bade- und vergnügungssüchtige Urlauber in ihre Stadt strömen? Warum haben die Einwohner von Mallorca erstmals im September 2017 Transparente hochgehalten: „Touristen raus!“? Gibt es Grenzen für die Ausweitung der Touristenströme? Der Geographieunterericht darf nicht verschweigen, dass manche Hochburgen des Tourismus noch immer heilige Stätten der dort lebenden Bevölkerung sind, die es zu respektieren gilt: Machu Picchu wird in der Hochsaison inzwischen täglich von bis zu 4000 Touristen „besucht“ – ursprünglich war das heute „übervölkerte, laute Freilichtmuseum“ Oase der Stille und eine der wichtigsten religiösen Stätten der Inka, in der etwa hundert Priesterinnen und Priester ihren Gottesdienst mit Gebeten und Flötendienst verrichteten. Oder der Touristenmagnet Ayers Rock im Herzen Australiens: Uluru, den „heiligen Berg“, suchen jährlich an die 250000 Touristen auf, von denen gut jeder zehnte nicht widerstehen kann, das Heiligtum der Aborigines in Freizeitkleidung und mit Photoapparat zu erklettern und oben zu picknicken. Das soll ab 2019 allerdings (endlich) verboten werden. Welche Auswirkungen auf die indigenen Bewohner des tropischen Regenwaldes haben die in Mode gekommenen „Amazonas Lodges“? Der Beispiele gäbe es viele. Unterrichtsort in der Schule wäre der Geographieunterricht. Kann er das in der ihm heute zugestandenen Unterrichtszeit leisten? Übrigens: In welchem Schulfach wird „Tourismus“ – wie sagt man heute – „problematisiert“ und „problemlösungsorientiert“ unterrichtet? Raten Sie mal… Leicht zu erreichen: „Reisen und Tourismus“ in: APuZ Nr. 50/2021 v. 13. Dezember 2021.

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EU, Brexit, Regionen

EU, Brexit, Unterschiedlichkeit der Regionen
Ist den für Bildung Verantwortlichen eigentlich bewusst, dass die fatal geringe Bedeutung der Behandlung der Europäischen Union im Unterricht unserer Schulen – und wo denn bitte sonst als grundlegend im Geographieunterricht, dem dazu aber keine Zeit gegeben wird…. – ebenso fatale, wenn nicht schlimmere Folgen in den Köpfen der späteren Bürger hat? „Wer die deutsche Innenpolitik verfolgt, der kann nur erstaunt darüber sein, wie wenig die Tatsache der Abhängigkeit des Landes, seiner Wirtschaft und Politik vom Gelingen der EU, des Euro und der deutsch-französischen Beziehungen ins kollektive Bewusstssein Deutschlands und seiner politischen Elite eingedrungen ist.“ So der ehemalige Bundes-Außenminister Joschka Fischer. Aber woher soll denn dieses Bewusstsein über die Bedeutung der EU für Deutschland und seine Zukunft (und darüber hinaus für den Frieden in Europa und der Welt) kommen, wenn die EU weder topographisch noch im umfassenden (synthetisch-komplexen) geographischen Sinn in der Schule Thema ist? „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – heißt es im Volksmund. Wer in der Schule kaum von der Bedeutung der EU für uns gehört hat, der wird als Erwachsener den Wert der europäischen Einigung und Zusammenarbeit nicht erkennen – denken wir an Frankreich, wo die Ergebnisse der jüngsten Wahlen hart daran vorbeigeschrammt sind, eine Partei an die Staatsspitze zu stellen, die EU, Euro oder deutsch-französische Partnerschaft insgesamt tölpelhaft über den Haufen werfen wollte. Und in Deutschland wird eine ebensolche dumpfe Partei für alle sichtbar immer stärker! Wo sind die Geographen, die den Verantwortlichen klarmachen, dass es hier eine unverantwortliche Lücke in der Unterrichtung unserer Schüler/innen gibt, die nur gefüllt werden kann, wenn das Thema EU massiv im Geographieunterricht der Schulen verankert wird?

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Landschaftsökologie

(Landschafts-) Ökologie
Es erscheint durchaus bedauerlich, dass der landschaftsökologische Arbeits- und Betrachtungsansatz (Carl Troll 1939) nicht in der Geographie, schon gar nicht in der Schulgeographie Fuß gefasst hat.  Als Carl Troll ihn erstmals formulierte, forderten die politischen Zeitumstände andere Prioritäten, und nach dem Neuanfang 1945 standen die Zeichen der Zeit in der Geographie eher auf der länderkundlichen Betrachtungsweise, vor allem in der Schule. Auch nach Kiel 1969 (siehe oben bei „2018 – beinahe 50 Jahre nach Kiel“) war Landschaftsökologie ein nur von wenigen Geographen vertretener Ansatz, obwohl er gerade für den Geographieunterricht viel versprechend war: Denn die synthetische komplexe Verknüpfung natur- und sozialwissenschatlicher Items einschließlich dem Wirken des Menschen bedarf gründlicher Analyse und umfangreicher Recherche, die den höchstens zweistündigen Geographieunterricht möglicherweise auch überforderte. Aber in Ansätzen ist die landschaftsökologische Betrachtungsweise im Geographieunterricht  zumindestens beispielhaft und je nach Altersstufe der Schüler auch mit unterschiedlich umfangreichen Vorgaben durch den Lehrer, das Lehrbuch oder Internet-Recherche möglich. Als gut geeignete, überschaubare Raumbeispiele bieten sich etwa an die mediterrane Kulturlandschaft oder die Oase oder der tropische Regenwald. Die heute hier und dort geforderten „Verlaufsschemata“  oder „Wirkungsgefüge“ sind schwierige, aber fachgerechte Überbleibsel des Landschaftsökologie-Ansatzes, die es eigentlich zu pflegen und auszuweiten gilt, denn hier wird nun tatsächlich geographisch gearbeitet und werden geographische Erkenntnisse vermittelt. Ob sie aber in die Zeit der bildungspolitisch gewollten absinkenden fachlichen Anforderungen in der Schule passen, bleibt fraglich.

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Stadt, Land, Fluss

Stadt, Land, Fluss
Ein hübscher Zeitvertreib für zwischendurch: Mindestens zwei Spieler; der eine sagt „A“ und spult murmelnd das Alphabet ab, der andere sagt irgendwann „Stop!“, und der Buchstabe, den der andere gerade murmelte (oder vorgibt, gemurmelt zu haben), ist Wortanfang von Namen für Stadt, Land, Fluss oder was den Spielern sonst noch lieb und teuer ist (Beruf, Blume, Möbelstück, Popstar…). Jedes Genannte bekommt je nach Absprache einen oder mehr Punkte. Wenn die Spielzeit vorüber ist, werden die Punkte addiert und Gewinner ist der mit der höchsten Punktzahl. Auch wenn der Name des Spiels es vermuten lässt:  Die Nennung singulärer topographischer Einzelheiten ohne weiteren Raumbezug hat mit Geographie höchstens so viel zu tun wie die servierfertige Zubereitung einer Supermarkt-Tiefkühlpizza mit der Kochkunst eines Mehrsternekochs. Im Unterricht hat dieses Spielchen höchstens Platz in einer (schlecht organisierten und leichtfertig den Fachunterricht ersetzenden) Vertretungsstunde.

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Exkursionen

Exkursionen, Feldarbeit, Arbeitsgemeinschaften, Geographie im Landschulheim…
So hieß das früher, wenn man/frau mit der Klasse Geographieunterricht „draußen“, nicht „vor“ Ort, sondern „am“ ausgewählten Ort veranstaltete. Mit klarer Aufgaben- und Fragestellung, angemessener Vorbereitung, themagerechter Raumauswahl und Aussicht auf  öffentliche Darstellung der Ergebnisse war das eines der Highlights im Schuljahr. Heute scheint es, dass derlei Aktivitäten, die nicht nur das Fachliche, sondern auch das Sozialverhalten der Schüler verbessern und stärken, kaum noch in den Schuljahresablauf passen mit seinen stringenten Klassenarbeitsterminen oder dem ständigen Druck, den Bildungs-/Lehrplan zu erfüllen. Zum Glück weht wieder Besserung aus den USA in die deutsche Geographiedidaktik: Ende 1990 ist wohl an der Harvard-Universität das erfunden worden, was als „Expeditionary Teaching“ oder „Expeditionary Learning“ endlich auch seinen in die Zeit passenden Namen gefunden hat. Wie immer aber die Bezeichnung heißen mag: Eine amtliche Übernahme in die Lehr-/Bildungspläne der Länder mit entsprechendem Anspruch auf die Genehmigung der Veranstaltung durch die Schule und auf erforderlichen Kostenersatz gibt es nur vereinzelt – und die Forderungen der organisierten Geographie dafür sind nicht vernehmbar.

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PISA…

PISA, OECD, empirische Bildungsforschung, Kompetenzen…
Die seit PISA 2000 von der OECD in die deutsche Bildungslandschaft erfolgreich implementierte Vermessung der Schülerleistungen ist nicht nur ein Problem des Unterrichtsfaches Geographie, sondern von Schule insgesamt. Darauf hier näher einzugehen, würde den selbst gesetzten Rahmen dieser Darstellung sprengen. Ich verweise auf Hans Peter Klein: Vom Streifenhörnchen zum Nadelstreifen. Springe 2016. Seine Darstellung provoziert bei den einen heiße Zustimmung, bei anderen gellende Ablehnung. Kostprobe gefällig? Hier: „Die empirische Bildungsforschung hat daher seit der Jahrtausendwende einen bislang nicht für möglich gehaltenen kometenhaften Aufstieg vollzogen, denn sie betreibt das Geschäft der Politikberatung mit ebenso großem Erfolg. Die Einführung des PISA-Konzepts der OECD in das deutsche Bildungssystem wurde überraschenderweise ohne jede demokratische Legitimation und unter geschickter Ausschaltung einer zu erwartenden breit angelegten Diskussion im Rahmen einer soft governance vollzogen. Kritiker wurden erfolgreich als Ewiggestrige oder Querulanten abgetan.“ (Klein 2016, S. 87)

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Weniger kognitive Inhalte in der Unterstufe

Weniger kognitive Inhalte in der Unterstufe, sondern Interesse wecken und staunen lassen über die Welt
Es gibt ein schönes Gedicht des Romatikers Novalis: „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren / Sind Schlüssel aller Kreaturen…“ Warum behandeln wir mit unseren jüngeren Schülern  Bevölkerungszahlen, Wirtschaftszahlen, Flächenzahlen, Klimazahlen – Zahlen allüberall? Es wäre für die Geographie förderlicher, wenn wir es fertig brächten, in den unteren Klassenstufen bei den Kindern Interesse und Staunen über die Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse auf der Erde  und über herausragende Naturphänomene zu wecken, und wenn dann im Mittelpunkt der Inhalte nicht Erwachsene, sondern Kinder stehen würden, wären die vielfältigen Inhalte doppelt hinreichend, um das Interesse für ein großartiges Fach in der Schule zu wecken. Die Forderung erscheint verwegen: Bis in die Unterstufe hinein mehr „Bauch“ und weniger „Kopf“ – aber immer Geographie, und nicht nur Pillepalle! Fragen Sie doch mal Ihre Schüler in der 5. oder 6. Klasse, warum auf Fußbällen neben „Made in Pakistan“ der Vermerk steht: „Ohne Kinderarbeit hergestellt.“

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Didaktisches

Didaktisches
Vom Nahen zum Fernen ist ein Vorschlag zum methodischen Vorgehen im Geographieunterricht. Es gibt deren unzählige, und kaum ein Didaktiker versäumt es, sein eigenes didaktisches Prinzip als „das richtige“ hinzustellen. Nun ist es unzweifelhaft, dass beispielsweise im Fach Englisch zunächst die sprachlich-grammatischen Strukturen der Fremdsprache geklärt, dazu angemessen Vokabeln gelernt werden müssen, bevor literarische Texte gelesen werden. Oder dass ein sinnvoller Aufbau der Inhalte im Fach Mathematik erforderlich ist – keine Frage, ein Schüler muss zuerst „rechnen“ lernen, bevor er an Aufgaben der höheren Mathematik geführt werden und im mathematischen Denken geübt wird. Im Fach Geographie ist eine Hierarchie der Schwierigkeiten eines Inhalts im allgemeinen nicht angemessen – sie ergibt sich durch die Tiefe der inhaltlichen Betrachtung. Der Fachlehrer kann z.B. das Phänomen „Stadt“ in Klasse 5 behandeln, aber auch in Klasse 12 – nur die Aspekte der Betrachtung werden in der oberen Klassenstufe weitaus komplexer sein als in der unteren. Darum kann die Behandlung des Heimatraumes sowohl in einer unteren wie einer oberen Klassenstufe erfolgen – und weil die Behandlungstiefe dem Alter der Schüler angemessen und damit unterschiedlich sein muss, wäre die wiederholte Behandlung „unten“ und „oben“ angemessen – beim Beispiel „Stadt“ hier die Lage und Physiognomie, dort die Lagebeziehungen, die historische Stadtentwicklung, Besonderheiten der Stadtstruktur, Stadtklima, Verkehrsproblematik, alles möglichst verbunden mit eigenen Erkundungen der Schüler.

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Vom Nahen zum Fernen

Vom Nahen zum Fernen?
Es gab einmal einen Kultusminister in einem deutschen Bundesland, der gegen die Geographielehrerschaft seines Landes das Prinzip vom Nahen zum Fernen durchsetzte – und dann behauptete, der Neckar münde bei Heidelberg in den Rhein.  Oder forderte, den heimischen Bauernhof in der Schule als Seele der Heimat darzustellen: Das schnurrende Kätzchen auf der Fensterbank, die glücklichen Hühner auf dem Hof, das niedliche Lämmchen als Streichelzoo für die Kinder und zufriedene Schweine, die sich im Matsch suhlen. Welch Erstaunen, als er feststellte, dass die Schweine unter künstlicher Beleuchtung im Stall hermetisch abgeriegelt Fleisch ansetzten, für ein Huhn der Platz eines DIN A4-Papiers ausreichen musste und  Viehfutter mitnichten von friedlich um den Hof liegenden Feldern kam, sondern per Lastwagen aus dem nicht weit entfernten Hafen abgeholt wurde, wohin es per Schiffsladung um die halbe Welt aus dem fernen Südamerika angeliefert worden war. Kinder im Unterstufenalter wollen Geschichten vom Leben der Menschen in der Ferne erfahren: Wie leben die Menschen im „Urwald“? Wie in der Wüste? Wie lebt es sich in einer „Megacity“? Und dann könnte der Lehrer auch das eigene Verhalten spiegeln: Wo bleibt unser Müll? Welche Auswirkungen hat der Tourismus dort, wo alle zugleich hinwollen? Warum haben die Autos meistens Vorfahrt? Vom Nahen zum Fernen müsste auf den Kopf gestellt werden: In der Unterstufe die Ferne, in der Oberstufe die Nähe – die es dann auch in eigener Projektarbeit zu erarbeiten gilt. Ausgewiesene Geographie-Didaktiker bekommen cholerische Anfälle, wenn im Geographieunterricht der Unterstufe Karl May oder Sven Hedin – deren Biographie wir kennen – vorgelesen und dann natürlich gemeinsam besprochen werden. Aber sie mucken nicht auf, wenn Abiturienten den Leistungskurs Geographie absolvierten und schließlich doch nicht wissen, wie ein Bebauungsplan oder der Flächennutzungsplan der Heimatgemeinde gelesen wird.

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Lehrpläne

Lehrpläne/Bildungspläne/Curricula
Die Lehrpläne (oder Bildungspläne oder Curricula) der einzelnen Schulfächer haben inzwischen für die Lektüre durch Lehrkräfte geradezu abschreckende Umfänge erreicht. Wer soll das alles beachten und in wenigen Unterrichtsstunden unterrichten? Trauen die Bildungspolitiker besonders den Gymnasiallehrern – also vollakademisch ausgebildeten Geographielehrern/innen – nicht mehr zu, ihr Fach angemessen zu unterrichten und die Lehrinhalte unter Berücksichtigung des Fachganzen in den jeweiligen Klassenstufen auszuwählen? Keine Frage, dass etwa zwei Jahre vor der (eigentlich obsoleten)  Abiturprüfung die Inhalte an die zu erwartenden Anforderungen angeglichen werden müssen. Der Fachlehrer und seine Fachkollegin wissen aber von Anfang an, was schließlich beim Schulabschluss im Fach Geographie verlangt werden wird. Warum überlässt man dann den Unterricht in den unteren Klassen nicht der Verantwortung der Lehrenden? Erinnern wir uns – frühere Lehrpläne hatten übersichtlichen Umfang und übersichtliche Inhalte wie methodische Vorgaben – hier beispielsweise der Lehrplan Erdkunde Baden-Württemberg 1957 – er kam mit vier Seiten aus:

         

Gerhard Hard hat in seiner „Inhaltsanalyse geographidiedidaktischer Texte“ aus dem Jahr 1978 die Lehrpläne von Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien untersucht. Er hat die dort vorgefundenen Inhalte, Methoden, Ideen, Qualifikationen etc. des Erdkunde-/Geographieunterrichts in einer umfangreichen „Schlüsselliste“ zusammengetragen. Das Ergebnis ist verwirrend. Es scheint, dass es  nichts für den Unterricht Bedeutsames  gibt, was in der Geographiedidaktik nicht schon mal vorgeschlagen, aber meistens nicht weiter aufgegriffen oder nach heftiger Diskussion verworfen wurde. Das Bild vom Augias-Stall, in dem aufgeräumt werden müsste (wo ist der Herkules, der dies leisten könnte?) bietet sich an. Der schlichte, aber durchdachte „Grundlehrplan Geographie“ – immerhin, aber auch nur ein „Vorschlag“ des VDSG – aus dem Jahre 1998 (2. Auflage 2004) blieb in der Kultus- und Bildungsbürokratie weitgehend unberücksichtigt, auch, weil dem Geographieunterricht die erforderlichen Unterrichtsstunden nicht zugestanden wurden. Aber auch die Geographiedidaktik hat sich nicht weiter mit ihm beschäftigt. Bei aller Wertschätzung von Vielfalt: Warum können/konnten sich Schulgeographen/innen nicht auf ein gemeinsames Konzept für ihren Unterricht und darauf einigen, was Geographieunterricht als ihm Eigenes im Kanon der Schulfächer unter Berücksichtigung der gegebenen Rahmenbedingungen zu leisten vermag?

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Geo-Fachraum

Geowissenschaftlicher/Geographie-Fachraum
Geographieunterricht lebt von der Anschauung durch Texte, Bilder, Sammlungsgegenstände aus aller Welt (Gesteine, Wüstensande…), Karten, Atlanten, Exkursionsausrüstungen… All das muss aufbewahrt und geordnet werden – dazu ist ein Geographie-Sammlungsraum unumgänglich. Und um all das sinnvoll gebrauchen zu können, brauchen wir den Geographie-Unterrichtsraum mit allen medialen Voraussetzungen und Verbindungen in die Welt via Internet. Ich sehe leider keine stringente Forderung dieses notwendigen Ausstattungsmerkmals unserer Schulen durch die geographischen Fachverbände.

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Fremdenphobie

Fremdenphobie
Die Geographie ist das eigentliche Fach, das unseren Schülerinnen und Schülern das Leben der Menschen in anderen Teilen der Welt unter anderen kulturellen Gegebenheiten vermitteln könnte, auch in enger Zusammenarbeit mit Religion (als Kunde von den Religionen der Welt). Damit wäre sie ein Fach, das in besonderem Maße der Fremdenfeindlichkeit entgegenwirkt.

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Inhalte anderer Fächer …

Inhalte anderer Fächer: Bildbeschreibung, Statistik lesen, Diagramme zeichnen…
Die Geographie hat in den Stundentafeln der Schulen nur eine geringe Repräsentanz. Trotzdem meinen wir Geographielehrer (zu) oft, die ganze Bandbreite schulischen Denkens und Strebens in unserem Fach behandeln zu müssen. Überlassen wir – vielleicht in Absprache mit den entsprechenden Fachkollegen – die Bildbeschreibung den Fächern Deutsch und Kunst, die Statistik und die Diagramme der Mathematik, die Fremdsprachen könnten die Länder behandeln, in denen die jeweilige Sprache gesprochen wird, ja selbst physikalische und chemische Inhalte sind in den Fächern besser aufgehoben als in Geographie, die sie nicht beweisen muss, sondern (nur) benutzen soll. Konzentrieren wir uns in Inhalt (Raum) und Methode (synthetisierend) auf uns selbst. Dass für die Umsetzung dieser Anregung die Lehr-/Bildungspläne der Schulen angeglichen werden müssten, steht außer Frage. Das Problem, das sich aber ergibt: Sprachen, die in China (v.a. Mandarin) oder Indien (v.a. Hindi) gesprochen werden, sind ebenso wie Russisch nicht gerade die in Schulen Deutschlands am weitesten verbreiteten Fremdsprachenfächer. Die unterrichtliche Behandlung Chinas, Indiens oder Russlands, also der Staaten, die im 21. Jahrhundert maßgeblich die Fragen der Menschheit mitbestimmen werden, muss deshalb einem anderen als dem Sprachfach zugeordnet werden und für alle gelten: Also der Geographie – außer, wenn es die Bildungspolitik denn verantworten will, unsere Schüler/innen ohne fundierte Kenntnisse über diese zukunftbestimmenden Staaten aus der Schule zu entlassen. Dazu braucht das Fach Unterrichtsstunden, ohne Wenn und Aber, es braucht sie. Geographen – fordert sie! MEHR

Interdisziplinarität – Markenzeichen der Geographie

Interdisziplinarität – Markenzeichen und Kerngebiet der Geographie
Es gibt wohl nur wenige wissenschaftliche Fächer an den Universitäten und Unterrichtsfächer an den Schulen, die wie die Geographie Natur- und Sozialwissenschaften verbinden. „Brückenfach“ ist eine viel zu kurz greifende Bezeichnung, die auch andere Fächer für sich reklamieren. Sie manifestiert nur die hilflos-verzweifelte Suche nach einer unwiderlegbaren Position der Geographie im Fächerkanon. Aber Geographie ist nicht dienende „Brücke“, sondern ihre Inhalte verbinden  schwergewichtig und selbständig natur- und sozialwissenschaftliche Inhalte und erstellen neue, synthetisch-komplexe Gesamtsichten eines Problems. Schüler/innen lernen in Geographie wie in kaum einem anderen ihrer Schulfächer beispielhaft, dass einseitige Ansichten unvollständig sind. Das Problem: Der Zeitpunkt, zu dem diese besondere Bedeutung des Faches  von der organisierten Geographie als ein zentraler Kern geographischer Schulbildung in der Bildungspolitik hätte verankert werden können, ist verpasst. Inzwischen ist es eine Binsenweisheit, dass „viele Aspekte unseres Daseins heute nur noch im Zusammenhang weltweiter Verflechtungen verstanden werden können“ (Osterhammel/Petersson). Die Geschichte hat unter dem Stichwort „Big History“ die Verbindung von Raum und Zeit, Geschichte und Geographie anerkannt.  Wenn  Schulfächer dazu dienen, den Heranwachsenden die Welt in ihrer Vielfalt und Verwobenheit erkennen zu lassen, dann hat die Geographie hierbei gleichwohl immer noch ihre besonders herausragende Bedeutung. Das müsste die organisierte Geographie den Bildungspolitikern immer und immer wieder einbläuen – vielleicht erkennen die für Schule Verantwortlichen  eines Tages, dass die Reduzierung des Schulfaches Geographie ein Irrweg ist – hin zu Einseitigkeit, Vorurteil, Oberflächlichkeit und Unorientiertheit.

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2018 – beinahe 50 Jahre nach Kiel (1969)

2018 – beinahe 50 Jahre nach Kiel (1969)!
1969 wurde die Länderkunde für die Geographie abgeschafft, und kaum einer hat sich dagegen gewehrt. Der Sturm, den die Studentenschaft zwei Jahre vorher (am 9. November 1967) mit dem Transparent „Unter den Talaren – der Muff von 1000 Jahren“ entfacht hatte, wirbelte Althergebrachtes und Zugedecktes durcheinander – und die Geographie blieb davon nicht verschont. Aber der Deutsche Geographentag 1969 war der Geographentag der wissenschaftlichen Geographie und stellte ihre Saturiertheit infrage. Erst allmählich, aber dann umso heftiger und von allen Seiten schwappte die Unruhe aus der Universität auch auf die Schulen über, auch auf die Inhalte und Methoden des Erdkundeunterrichts.

Heute wird Regionalforschung von vielen Fachvertretern anderer Fächer betrieben, und das mit gutem Recht. Kenntnisse über die Länder und Regionen dieser Welt sind gerade in Zeiten, in denen die Welt zusammenrückt und „Globalisierung“ in aller Munde ist, eine eigene, wichtige Berechtigung im Wissenskanon der Menschen. Dazu gehört auch, warum Staaten sich zunehmend aus der Globalisierung ausklinken und sich auf neues, auch wieder „stolzes“ Nationalbewusstssein besinnen. Natürlich können und sollen in der Schule keineswegs alle Staaten der Welt nacheinander abgehandelt werden, schon garnicht nach dem sich immer wiederholenden Hettner’schen Schema – das Hettner aber so, wie es missverstanden wurde, auch nie gemeint hat. Es wäre sicherlich auch hilfreich für das Verständnis der Probleme dieser Welt, wenn sich auch die Geographie selbst wieder – trotz schlechter Erfahrungen zu NS-Zeiten – geopolitischen Strömungen öffnen würde. Was wissen wir über „die Macht der Geographie“ (Marshall) – was soll(t)en unsere Schüler/innen darüber wissen? Werden in dem fürchterlichen Krieg im Nahen Osten die Werte der einen oder anderen Seite siegen – oder werden die geopolitischen Interessen der Konfliktparteien letztlich über Sieg oder Niederlage entscheiden?

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Schule neu denken (von Hentig) …

Schule neu denken (von Hentig) – auch Geographie in der Schule neu denken
Auch wenn von Hentig inzwischen infolge persönlicher Umstände in die hintere Reihe der pädagogischen Mainsetter getreten ist, so bleiben seine Überlegungen doch weiterhin für Schule und Unterricht überlegenswert. Wie können wir die schwierigen Jahre der Pubertät mit geographischem Interesse so anreichern, dass Schüler/innen Geographie als wichtiges Fach ansehen? Was kann geographischer Unterricht zur gesamtheitlichen Bildung beitragen?

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Geographische Bildung tut Not!

Eberhard Schallhorn

Geographische Bildung tut Not – Über Erfordernisse und Defizite geographischen Unterrichts in den Schulen.

„Warum hat es die deutsche Geographie nicht vermocht, wesentliche Felder der in den letzten Jahren ständigan Bedeutung gewin nenden globalen Umweltforschung, speziell der Mensch-Umwelt-Beziehungen, zu besetzen und fortzuentwickeln?“

Diese Frage von Eckart Ehlers (Ehlers, Eckart: Das Anthropozän. Die Erde im Zeitalter des Menschen.
(Darmstadt 2008), S. 239) ist bis heute (Februar 2018) unbeantwortet. Einen Grund dafür sehe ich darin, dass sich die wissenschaftliche Geographie atomisiert hat – immer kleinere Forschungsbereiche nabeln sich von der Geographie ab und bilden eigenständige Forschungsbereiche, ohne auch nur auf das große Gemeinsame „Geographie“ hinzuweisen.

Das sei der Entwicklung des wissenschaftlichen Faches zugestanden. Dass aber selbst die Deutsche Gesellschaft für Geographie die Gemeinsamkeit der Geographie nicht aufrecht erhalten kann, ist kein Ruhmesblatt für die Geographie und führt eher zum Untergang des Faches als zu seiner Stärkung.

Der Deutsche Kongress für Geographie in Tübingen im Herbst 2017 fand keinerlei Resonanz in der Öffentlichkeit. Was war denn das Generalthema? Es gab keinen Pressespiegel, weil es keine Presseberichte gab. Die deutsche Geographie sank in die publizistische Vergessenheit – gleichwohl rühmten Vertreter der Geographie einen sehr erfolgreichen Kongress. Hier steht die Selbstbespiegelung Pate für eine Wahrnehmung über die eigene Bedeutung, die an der Wirklichkeit nicht nur vorbeischrammt, sondern ihr diametral entgegengesetzt ist.

Die Verantwortlichen reagieren entsetzt und verärgert auf derlei Äußerungen. Und derweil bricht die sogenannte „Basis“ der Geographie zusehends weg – die Geographie an der Schule, die ohnehin nur noch spärlich unterrichtet wird und nur dank eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz noch in der Oberstufe des Gymnasiums vorhanden ist. Wie es um ein Schulfach als „Basis“ für die Hochschule bestellt ist, zeigt ein Blick auf andere wissenschaftliche Disziplinen: Es gibt in der Schule kein Fach „Jura“, es gibt keine „Betriebswirtschaft“, es gibt kein Schulfach „Medizin“, und viele wissenschaftliche Fächer können mit dem an der Schule Gelernten herzlich wenig anfangen – Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Geschichte…

Aber es gibt gewichtige Gründe für geographischen Unterricht in der Schule und die Notwendigkeit fundierter geographischer Bildung, und es gibt gewichtige Gründe dafür, den heutigen Geographieunterricht (wieder einmal) zu reflektieren: Ist er organisiert, wie es moderner Unterricht erfordert? Hat er in allen Schularten und Klassenstufen den inhaltlichen und methodischen Aufbau, der der Altersstufe der zu unterrichtenden Kinder angemessen ist? Entspricht er den gesellschaftlichen Erfordernissen von heute und denen für die Zukunft? Was kann Geographieunterricht, was der Unterricht in anderen Fächern nicht kann?

Hier ein paar Hinweise, die in diese Überlegungen eingebaut werden könnten – dabei bemühe ich mich, nicht dem neokonstruktivistischen Didaktikgeschwurbel zu verfallen:

Schule neu denken (von Hentig) – auch Geographie in der Schule neu denken
Auch wenn von Hentig inzwischen infolge persönlicher Umstände in die hintere Reihe der pädagogischen Mainsetter getreten ist MEHR

2018 – beinahe 50 Jahre nach Kiel (1969)!
1969 wurde die Länderkunde für die Geographie abgeschafft, und kaum einer hat sich dagegen gewehrt. Heute wird Regionalforschung MEHR

Interdisziplinarität – Markenzeichen und Kerngebiet der Geographie
Es gibt wohl nur wenige wissenschaftliche Fächer an den Universitäten und Unterrichtsfächer an den Schulen, die wie die Geographie Natur- und Sozialwissenschaften verbinden. MEHR

Inhalte anderer Fächer: Bildbeschreibung, Statistik lesen, Diagramme zeichnen…
Die Geographie hat in den Stundentafeln der Schulen nur eine geringe Repräsentanz. Trotzdem meinen wir Geographielehrer (zu) oft, die ganze Bandbreite schulischen Denkens und Strebens MEHR

Fremdenphobie
Die Geographie ist das eigentliche Fach, das unseren Schülerinnen und Schülern das Leben der Menschen in anderen Teilen der Welt unter anderen kulturellen Gegebenheiten vermitteln könnte. MEHR

Geowissenschaftliches Gymnasium
Ein inzwischen gealterter, allerdings nie aufgegriffener Vorschlag. Während um uns herum die spezifischen Ausrichtungen von Gymnasien aus dem Boden schießen, halten sich geographische Interessenverbände vornehm zurück, wenn es darum geht, das „Gymnasium mit geowissenschaftlichem / geographischem Schwerpunkt“ zu fordern. MEHR

Geowissenschaftlicher/Geographie-Fachraum
Geographieunterricht lebt von der Anschauung durch Texte, Bilder, Sammlungsgegenstände aus aller Welt (Gesteine, Wüstensande…), Karten, Atlanten, Exkursionsausrüstungen… MEHR

Lehrpläne/Bildungspläne/Curricula
Die Lehrpläne (oder Bildungspläne oder Curricula) der einzelnen Schulfächer haben inzwischen für die Lektüre durch Lehrkräfte geradezu abschreckende Umfänge erreicht. MEHR

Vom Nahen zum Fernen?
Es gab einmal einen Kultusminister in einem deutschen Bundesland, der gegen die Geographielehrerschaft seines Landes das Prinzip vom Nahen zum Fernen durchsetzte – und dann behauptete. MEHR

Didaktisches
Vom Nahen zum Fernen ist ein Vorschlag zum methodischen Vorgehen im Geographieunterricht. Es gibt deren unzählige, und kaum ein Didaktiker versäumt es  MEHR

Weniger kognitive Inhalte in der Unterstufe, sondern Interesse wecken und staunen lassen über die Welt
Es gibt ein schönes Gedicht des Romatikers Novalis: „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren / Sind Schlüssel aller Kreaturen…“ Warum behandeln wir mit unseren jüngeren Schülern  Bevölkerungszahlen MEHR

PISA, OECD, empirische Bildungsforschung, Kompetenzen…
Die seit PISA 2000 von der OECD in die deutsche Bildungslandschaft erfolgreich implementierte Vermessung der Schülerleistungen ist nicht nur ein Problem des Unterrichtsfaches Geographie MEHR

Exkursionen, Feldarbeit, Arbeitsgemeinschaften, Geographie im Landschulheim…
So hieß das früher, wenn man/frau mit der Klasse Geographieunterricht „draußen“, nicht „vor“ Ort, sondern „am“ ausgewählten Ort veranstaltete. MEHR

Nachhaltigkeit
Der Verband Deutscher Schulgeographen kennzeichnet sich als Verband für „Nachhaltigkeitserziehung“. Dieser Formulierung folgen allerdings nicht alle Landesverbände. Der Begriff „nachhaltig“ MEHR

Stadt, Land, Fluss
Ein hübscher Zeitvertreib für zwischendurch: Mindestens zwei Spieler; der eine sagt „A“ und spult murmelnd das Alphabet ab, der andere sagt irgendwann „Stop!“, und der Buchstabe MEHR

(Landschafts-) Ökologie
Es erscheint durchaus bedauerlich, dass der landschaftsökologische Arbeits- und Betrachtungsansatz (Carl Troll 1939) nicht in der Geographie, schon gar nicht in der Schulgeographie Fuß gefasst hat.  MEHR

EU, Brexit, Unterschiedlichkeit der Regionen
Ist den für Bildung Verantwortlichen eigentlich bewusst, dass die fatal geringe Bedeutung der Behandlung der Europäischen Union im Unterricht unserer Schulen – und wo denn bitte sonst als grundlegend im Geographieunterricht MEHR

Tourismus /Overtourism
Zu Zeiten, in denen sogar die deutsche Schulferienregelung Rücksicht auf die touristischen Gewohnheiten nimmt, erscheint es besonders schwierig, aus geographischer Sicht über Sinn und Unsinn MEHR

Externalisierung
Auch wieder so ein Stichwort, das den Bildungs- und Finanzministern ein Argument liefert, dass die Geographie in der Schule gekürzt gehört: Denn wer will schon MEHR

Globalisierung
Ein besonderes Problem unserer Zeit ist die „Verdichtung von Raum und Zeit“, wobei in der Geographie insbesondere die Verdichtung des Raumes bedeutsam ist MEHR

Internationale Wirtschaftsabkommen
Ein Thema, das in der Schule angesichts seiner überragenden Bedeutung für die globalisierte Wirtschaft zu kurz kommt (weil der Geographie dazu die Stunden fehlen) MEHR

Wettbewerbe
Ein gern benutztes Medium dafür, öffentlichkeitswirksame Aufmerksamkeit zu erlangen und zugleich den Vereinszweck – hier: Geographische Bildung stärken – zu erreichen, ist die Kreation neuer oder die Mitwirkung an bestehenden Wettbewerben.  MEHR

Geographische Bildung
Es bleibt die Frage, was denn das nun ist: „Geographische Bildung.“  Die Antwort ist ebenso schwierig zu formulieren wie die nach  dem, was „Bildung“ insgesamt ist.  Aber man könnte sich vielleicht so einigen MEHR

… und nun?
Die hier angeführten Inhalte sind bedeutsam für die geographische Bildung unserer Schüler, der zukünftigen Bürger/innen, die über den Rand der eigenen Region hinausblicken und auf dem festen Boden von „Heimatbewusstsein und Weltkenntnis“ (Slogan des Deutschen Schulgeographentages 1992) Einsicht in das Geschehen auf der Erde haben sollen. Sie üben damit das Denken in globalen Zusammenhängen, das seit dem Bericht des Club of Rome von 1972 über die „Grenzen des Wachstums“ angesichts der globalen Menschheitsprobleme für Gesellschaften und Einzelne unabdingbar ist. Es ist einsichtig, dass die „Kiste Schulgeographie“ zu klein ist für die vielen Pakete, die in sie hineingelegt werden sollen. Und dabei ist noch Weiteres gar nicht erwähnt, etwa Geologie und Gesteinskunde, Vulnerabilität der Erde, Meere, Wetter und Klima, Böden, Landschaftszonen, Siedlungen, Verkehr, Landwirtschaft, Kulturlandschaftsentwicklung und Landesplanung. Alles – oder, weil es ohnehin nicht zu schaffen ist: Nichts?

Fakt eins:
Es gibt geographische Themen und Kompetenzen, die für das Verhalten und das Weltverständnis unserer Bürger und damit die geographische Bildung unverzichtbar sind und in der Schule ihren Platz im Fach Geographie haben müssen. Letztlich könnte die Auswahl bis etwa zwei Jahre vor dem Schulabschluss dem Fachlehrer, der Schule, den Schülern und den Eltern gemeinsam in demokratischer Abstimmung überlassen werden – auch wenn ich schon die besorgten und verstörten Einwände der Eltern höre, wie denn ihre Kinder beim Schulwechsel, vielleicht sogar in ein anderes Bundesland, oder gar beim – horribile dictu! – Wiederholen mit dem Fach zurecht kommen sollen. Ich höre auch die abwehrenden Bastas! der Kultusbürokratie: „Geht nicht!“ Geht nicht, gibt’s nicht. Die Inhalte müssen aber  vom Fachlehrer Geographie mit angemessenen, fachimmanenten Methoden unterrichtet werden. Dabei muss der Fachlehrer das Alter seiner Schüler/innen und die Anforderungen des Schulabschlusses im Blick haben. Bei aller Vielfalt der möglichen Themen verspricht weniger Inhaltsvielfalt  die Möglichkeit gründlicherer Unterrichtung und Einsicht sowie besseres Verständnis der geographischen Methode.

Fakt zwei:
In kaum einem Bundesland ist das Fach Geographie stundenmäßig so ausgestattet, dass heute das unverzichtbar erforderliche Mindest-Niveau der geographischen Bildung unserer Bürger erreicht werden kann. Es bleibt völlig unklar, welche – pädagogischen, bildungspolitischen, schulischen, fachlichen, finanziellen – belastbaren Argumente die Kultusbehörden als Grundlage ihrer gewöhnlich wortreichen Ablehnungen entsprechender Eingaben der Schulgeographie heranziehen.

Fakt drei:
Die Forderung nach kontinuierlichem Geographieunterricht in allen Klassenstufen und Schularten mag altbacken, erneut lästig wiederholt und ohne Berücksichtigung vermeintlicher  bildungspolitischer Sachzwänge erhoben sein. Sie wird nicht eigennützig wegen des Faches Geographie erhoben, sondern aus großer Sorge um die geographische Bildung unserer Bürger/innen, die schon heute oft zu wenig systemisch und komplex denken und  argumentieren sowie bei raumbezogenen Fragen zu wenig Raumvorstellung und Sinn für Raumbeziehungen und Regionen haben.  Sie ist deswegen weder falsch noch überflüssig. Sie bleibt wahr und notwendig. Ihre Erfüllung ist überfällig.

(Aber) Fakt vier: Es nützt niemandem, wenn von Seiten der Geographie immer wieder und unverdrossen behauptet wird, Geographie sei DAS Umweltfach oder DAS Schulfach des 21. Jahrhunderts oder DAS unentbehrliche Schulfach, das nicht nur die geographische, sondern die Bildung insgesamt erretten werde. Die Schulgeographie ist ein Schulfach unter vielen, und jede Fachgruppe wird behaupten, dass sie unentbehrlich sei für die Bildung des künftigen Bürgers. Und der erkennt viel zu oft, dass er das, was er tatsächlich im Leben benötigt, jedenfalls in der Schule nicht gelernt hat. Um unsinnigsten halte ich die Hinweise sogar gestandener Lehrer/innen, dass sie dieses oder jenes in der 8. oder 9. Klasse nicht zu behandeln brauchen, weil das doch schon in der 5. oder 6. Klasse behandelt wurde. Schon mal etwas von Entwicklungspsychologie gehört? Sorry, das ist nun wahrlich Nestbeschmutzung…

Dass eine Diskussion geführt werden muss über das, was zukünftige Bürgerinnen und Bürger als zukunftsfähiges Rüstzeug in der Schule erhalten müssen, bleibt unbestritten, wird aber nicht umgesetzt. Diese Diskussion wird nicht geführt. Dass aber auch erkannt werden muss, dass Schulfächer ihre je eigenen Inhalte, Denkweisen und – ja! – Kompetenzen (nicht erst seit PISA!) vermitteln sollen und müssen, bleibt ebenfalls unbestritten. Es ist aber unglaubwürdig, wenn auf der einen Seite festgestellt wird, was im Schulfach Geographie alles vermittelt werden sollte oder müsste, auf der anderen Seite aber die Stundenverteilung in der Schulwirklichkeit bedauernd erwähnt oder sogar vergessen wird. Zwei Unterrichtsstunden Schulgeographie in dem einen oder anderen Schuljahr oder die Möglichkeit der Wahl des Faches im Abitur allein können die Welt auch nicht retten, ob es nun eine „Roadnap“ gibt oder nicht!

Die Schulgeographie kann sich nur behaupten, wenn Schulgeographen/innen endlich ihre Möglichkeiten in der Schule nüchtern erkennen und sich auf sie auf der Grundlage ihres umfassenden wissenschaftlichen Knowhows bewusst beschränken. Das bedeutet eine verantwortungsvolle, aber mutige Durchforstung der eigenen Inhalte in der Schule. Das bedeutet aber auch inhaltlichen Verzicht und die Notwendigkeit, sich an die   psychologischen und pädagogischen Gegebenheiten unserer Schüler/innen zu erinnern. Statistik oder  systemische Darstellungen oder Textinterpretationen oder… haben in der Unterstufe nichts verloren, wo die Schüler/innen mit Schilderungen „aus der weiten Welt“ für das Schulfach gewonnen werden können.

Wenn Geographen meinen, ihr Schulfach habe existentielle Inhalte, die unverzichtbar sind, dann müssen sie benannt werden – aber andere müssen mutig gestrichen oder „alternativ“ gesetzt werden, denn Geographie ist sicherlich ein wichtiges, aber nicht das einzige zukunftsweisende Schulfach.